Turbinen-Strahltriebwerke leicht gemacht

Suck, squeeze, bang & blow! Oder auch: Ansaugen, verdichten, arbeiten und ausstoßen. Diese Begriffe kennen vermutlich die meisten noch aus dem Physik-Schulunterricht, um die Funktionsweise des Viertaktmotors zu erklären. Weniger bekannt ist jedoch, dass auch Turbinen-Strahltriebwerke nach diesem Prinzip arbeiten – mit dem Unterschied, dass die Leistung nicht durch die Zündung entsteht, sondern durch das Ausstoßen. Da hinter dem Funktionsprinzip von Turbinen-Strahltriebwerken jedoch noch einiges mehr steckt, soll dieses im Folgenden genauer (und hoffentlich verständlich) erläutert werden.

Der kleinste gemeinsame Nenner: die Gasturbine

Die Basis aller Turbinen-Strahltriebwerke – egal ob Turbojet, Turbofan oder Turboprop – ist eine Gasturbine. Diese besteht im Wesentlichen aus folgenden Bauteilen:

1. Einlauf: zum Ansaugen der Luft (Suck)

2. Verdichter: zum Verdichten der Luft (Squeeze)

3. Brennkammer: zur Mischung der verdichteten Luft mit Treibstoff und anschließenden Verbrennung (Bang)

4. Turbine: zum Antreiben des Verdichters (Blow)

Der technische Kniff besteht also darin, dass die Turbine mit dem Verdichter über eine Welle verbunden ist und diesen antreibt, wodurch der ganze Prozess am Laufen bleibt. Um zu verstehen, wie dieser Prozess erst ins Laufen gebracht wird, empfehle ich einen Artikel, welcher demnächst hier erscheinen wird.

Einstrom-Strahltriebwerk (Turbojet)

Schematischer Aufbau eines Turbojets

Der Turbojet stellt die grundlegendste Form eines Turbinen-Strahltriebwerks dar. Die darin zum Einsatz kommende Gasturbine besteht aus einem Verdichter und einer Turbine, welche meist auf derselben Welle montiert sind.

Der Verdichter besteht aus einer Trommel, an welcher Laufräder (Rotoren) und feststehende (nicht rotierende) Leitschaufelkränze (sogenannte Statoren) befestigt sind. Das vorderste Element eines Verdichters wird üblicherweise als Eintrittsleitrad (engl. inlet guide vane – IGV) bezeichnet. Jedes nachfolgende Rotor-Stator-Paar wird als Verdichterstufe bezeichnet. Daher werden Verdichter mit vielen Schaufelreihen auch als mehrstufige Verdichter bezeichnet.

Alternierende Anordnung der Rotoren und Statoren von links nach rechts

Was bewirkt nun diese abwechselnde Anordnung von Rotor und Stator? Die Rotoren beschleunigen die Luft zum hinteren Teil des Verdichters bzw. zum hinteren Teil der Schaufel. Die Statoren ebenso wie das Eintrittsleitrad (welches auch feststehend ist) haben zwei Funktionen. Zum einen verdichten sie die Luft, indem sie Geschwindigkeit gegen Druck eintauschen. Zum anderen begradigen und leiten sie die Strömung, damit sie den nächsten Rotor im optimalen Winkel trifft.

Dieses Zusammenspiel führt dazu, dass der Luftdruck am Ende des Verdichters bis zu 40-mal höher ist als der Umgebungsluftdruck. Auch die Temperatur steigt infolgedessen auf bis zu 700 °C.

Die hochverdichtete Luft wird nun in der Brennkammer kontinuierlich mit Treibstoff vermischt und verbrannt. Da die Zündung dieses Gemisches nur beim Triebwerksstart erfolgt und von da an eine kontinuierliche Verbrennung erfolgt, sollte der einleitende Merksatz besser „Suck, squeeze, burn & blow“ lauten.

Sobald das Gas die Brennkammer verlassen hat, trifft es mit hoher Geschwindigkeit auf die Turbine. Diese entzieht dem Gas einen Teil seiner Energie, so dass sich die Turbine im Kreis dreht und die Motorwelle, mit der sie verbunden ist, in Bewegung setzt. Auf dieser Welle ist ebenfalls der Verdichter montiert, wodurch sich der Kreislauf schließt. Die überschüssige Energie wird schließlich für den Rückstoß verwendet, welcher den Schub erzeugt.

Zweistrom-/Mantelstromtriebwerk (Turbofan)

Schematischer Aufbau eines Turbofans

Heutzutage sind große Verkehrsflugzeuge fast ausschließlich mit sogenannten Turbofans ausgestattet. Deren zentrales Unterscheidungsmerkmal ist eine große erste Schaufelblattstufe (engl. fan), welche von außen gut sichtbar ist. Hinter dem Fan wird die Luft in zwei Teilen durch das Triebwerk geleitet. Ein kleiner Teil gelangt in den Triebwerkskern. Dort geschieht dann das, was wir bereits vom Turbojet kennen. Der Großteil der angeströmten Luft (Verhältnis 10:1) wird jedoch vorbeigeleitet. Obwohl dieser sogenannte kalte Mantelstrom (engl. bypass air) nicht so stark beschleunigt wird, erzeugt er den Großteil des Schubs – bis zu 80 %. Der innere Teil dient nur dazu, dass das ganze System – in erster Linie der Fan – am Laufen bleibt.

Warum ist diese Architektur besser? Zum einen aufgrund des besseren Wirkungsgrades. Große Luftmengen nur etwas zu beschleunigen ist viel effizienter, als kleine Luftmengen sehr stark zu beschleunigen. Da sich der Treibstoffdurchsatz durch den zusätzlichen Fan nur geringfügig verändert, erzeugt ein Turbofan außerdem mehr Schub für fast die gleiche Menge Treibstoff, die der Triebwerkskern (Turbojet) verbraucht [1]. Zum anderen lässt sich durch diese Bauweise der Fluglärm reduzieren. Durch die Ummantelung der heißen, wirbelbehafteten und damit lauten Turbinengase mit kühlerer und ruhigerer Luft, wird diese gedämpft [2].

Bedingt durch das Mantelstromtriebwerk, welches eine niedrige Drehzahl für den großen Fan und eine hohe Drehzahl für den Hochdruckbereich benötigt, werden die Turbinen- und Kompressorstufen auf unterschiedlich schnell drehenden Wellen montiert (Zwei-Wellen-Konzept). Die hinteren Turbinenstufen drehen eine langsame Niederdruckwelle an, auf welcher der Fan sowie die ersten Kompressorstufen montiert sind. Die Turbinenstufen, welche direkt hinter der Brennkammer liegen, drehen eine schnelle Hochdruckwelle an, auf welcher der Hochdruckteil des Verdichters montiert ist. Durch diese Aufteilung in unterschiedliche Wellen wird sichergestellt, dass jede Komponente in ihrem jeweiligen Drehzahloptimum läuft.

Unterschiede zum Kolbentriebwerk – in a nutshell

Was sind nun also die wesentlichen Unterschiede zwischen Turbinen-Strahltriebwerk und Kolbentriebwerk? Während man bei Kolbentriebwerken von Takten (daher auch Viertaktmotor) spricht, die präzise aufeinander abgestimmt werden müssen, geschehen die eingangs erläuterten Vorgänge (suck, squeez, bang & blow) beim Turbinen-Strahltriebwerk alle zur selben Zeit. Auch die Bewegungsvorgänge innerhalb des Triebwerks unterscheiden sich. Während beim Kolbentriebwerk alle Bauteile mehr oder weniger gewaltsam hin- und herfliegen, drehen sich Turbinen-Strahltriebwerke einfach nur im Kreis [3]. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Verbrennung im Turbinen-Strahltriebwerk bei nahezu konstantem Druck erfolgt, wohingegen die Verbrennung im Kolben bei konstantem Volumen erfolgt.

Daneben besteht ein wesentlicher Unterschied im Leistungsgewicht. Ein Turbinen-Strahltriebwerk, welches beispielsweise eine mechanische Leistung von 10.000kW bietet, ist im Allgemeinen kleiner und leichter als ein entsprechender Kolbenmotor und verursacht deutlich weniger Vibrationen.

Auch was die möglichen Flughöhen angeht, sind Turbinen-Strahltriebwerke Kolbentriebwerken überlegen. Kolbentriebwerke können im Vergleich zu Turbinen-Strahltriebwerken nur eine begrenzte Höhe erreichen, da sie den Massendurchsatz nicht erhöhen können. Die Luft wird zur Verbrennung direkt in die Zylinder geleitet, und da die Luft mit zunehmender Höhe immer dünner wird, verliert das Triebwerk seine Fähigkeit, die dringend benötigte Leistung zu erzeugen. Es gibt jedoch Flugzeuge mit aufgeladenen Kolbenmotoren, die in sehr großen Höhen (25 bis sogar 34.000 Fuß) fliegen können. Ein Turbolader ist eine mechanische Vorrichtung, die von den Abgasen des Motors angetrieben wird. Er besteht aus einer Turbine und einem Verdichter. Die Turbine wird durch die Abgase angetrieben, die wiederum den Kompressor in Bewegung setzen. Der Kompressor erhöht, ähnlich wie ein Triebwerkskompressor, den Druck der Luft und leitet sie in die Zylinder ein. Dadurch können diese Flugzeuge in größeren Höhen fliegen.

Trotzdem ist das Turbinen-Strahltriebwerk keine eierlegende Wollmilchsau. So hinkt es dem Kolbentriebwerk in Sachen Reaktionszeit hinterher. Vor allem bei niedrigen Drehzahlen weist das Turbinen-Strahltriebwerk eine deutliche Verzögerung auf, welche von den Piloten berücksichtigt werden muss. Der große Lufteinlass macht ein Turbinen-Strahltriebwerk ebenfalls anfälliger für Schäden durch Fremdkörper (z. B. Vogelschlag)

Zahlen, Daten, Fakten

Abschließend noch ein paar Kennzahlen zu ausgewählten Turbofan-Triebwerken. Die zunehmende Weiterentwicklung lässt sich sehr gut am Nebenstromverhältnis deuten, welches über die Jahre gestiegen ist.

Rolls-Royce RB211-524G [4]General Electrics GE90-110B1 [5]CFM International LEAP-1A [6]
Jahr der Zulassung198920032015
Eingesetztes FlugzeugmusterB747-400B777-200LR, B777FA320neo
Kompressorstufen7 MD, 6 HD4 ND, 9 HD3 ND, 10 HD
Turbinenstufen1 HD, 1 MD, 3 ND2 HD, 6 ND2 HD, 7 ND
Fan-Durchmesser2,19 m3,25 m1,98 m
Gewicht5,7 t8,8 t3,0 t
Startschub~ 260 kN~ 493 kN~ 125 kN
ND-Drehzahl3.900 rpm2.355 rpm3.894 rpm
HD-Drehzahl10.611 rpm9.332 rpm19.391 rpm
Nebenstromverhältnis4,3:19:111:1
Verdichtungsverhältnis32,8:142:140:1
Schub-Gewicht-Verhältnis4,6:15,7:14,2:1
ND = Niederdruck, MD = Mitteldruck, HD = Hochdruck

Quellen

[1] NASA Glenn Research Center, „Turbofan Engine“, The Beginner’s Guide to Aeronautics

[2] Antoine, Nicolas & Kroo, Ilan. (2002). „Optimizing Aircraft and Operations for Minimum Noise“. 10.2514/6.2002-5868.

[3] Croucher, P. (2020), „EASA Professional Pilot Studies“, Section 5-21

[4] EASA, „Rolls-Royce Deutschland RB211-524 & -22B Series“, Type Certificate Data Sheet

[5] EASA, „General Electric GE90 series engines“, Type Certificate Data Sheet

[6] EASA, „LEAP-1A & LEAP-1C series engines“, Type Certificate Data Sheet

(Titelbild von Luka Slapnicar auf Unsplash)

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